Akte Athen

am Beispiel 

Mikis Theodorakis

 

Mikis Theodorakis im Widerstand des griechischen Volkes

gegen den Faschismus.

 

Ein Stereohörbuch von Gerald Wolf Rajszár-Kruse mit Musik von Theodorakis und anderen Prominenten griechischen Sängerinnen und Musiker.

 

Länge: 92 Minuten (Ausschnitte vom Soundtrack  ca. 7 Minuten)

                                                    ISBN: 9783950367645 

 

Mikis Theodorakis am 29. Juli 1925 auf der Insel Chios geboren, ist Komponist und Politiker. Er wurde in der Zeit der Militärjunta in Griechenland (1967-1974) bekannt. Begleitet von seinen Sängern, vor allem Maria Faranduri und Petros Pandis bereiste er nach 1970 die ganze Welt und gab cirka 1000 Konzerte. Es war sein Beitrag im Kampf gegen die Militärjunta. Im vorliegenden Hörbuch wird die Zeit seiner Gefangenschaft, Folter und Isolation mit vielen Nachstellungen, Interviews und seiner Musik dargestellt.

Viele seiner Lieder wurden von bedeutenden Interpreten gesungen, wie von Agnes Baltsa, Dalida, Milva, Edith Piaf, Mouloudji, Georges Moustaki, Nana Mouskouri, Zülfü Livaneli u.v.a.

 

Einleitung:

Am 21. April 1967 kam es zum Putsch der faschistischen Obristen in Griechenland. Vier Monate kämpfte Theodorakis, als Gründer der Patriotischen Front, im Untergrund gegen die Junta. Im August wurde er verhaftet, gefoltert, ins Bergdorf Zatouna verbannt und später ins Konzentrationslager Oropos überführt, wo die Tuberkulose ihn an den Rand des Todes brachte. Eine internationale Solidaritätsbewegung, geleitet von so bedeutenden Künstlern wie Dimitri Schostakowitsch, Leonard Bernstein, Arthur Miller und Harry Belafonte setzten sich für seine Freilassung ein. Unser Hörbuch beginnt in Zatouna,

 

 

Die Hintergründe für die heutige Krise gehen u.a. auf 1962 zurück, wo sich einige Zehntausende auf den „Klaftmonos Platz“ in Athen eine Rede von Papandreou anhörten, der wenige Wochen vorher, mit knapper Mehrheit, als Führer des Zentrums ins Parlament eingezogen war. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs der 41.Premierminister, ein Balanceakt in der griechischen Demokratie. Das Volk wollte endlich etwas Erfreuliches und gekommen ist 1965 Stephanos Stephanopoulos und eine Reihe von versuchten Regierungsbildungen bis zu seinem Rücktritt 1966. Nur weitere vier Monate und zwei neue Premiers und am 21. April 1967 ersegeln sich die Militärs, im Auftrag Ihres königlichen Olympia-Siegers von Rom König Konstantin II., die Macht. Das Volk wurde unterdrückt und die kollektiven Ausgaben stiegen ohne eine entsprechende Verbesserung oder Vermehrung von Dienstleistungen gegenüber den Bürgern. Des Weiteren war das schlechte Lebenshaltungsniveau ein ideales Instrument zur Veränderung der Gesellschaft und letztlich mit dem Nato-Bollwerk gegen die kommunistischen Balkanstaaten ist heute die Erpressung mit den laufenden Verzögerungen des „Rettungsschirms“ und einer Salamitaktik in der wirklichen Hilfe. Die Solidarität und Verantwortung von einem Ende Europas zum anderen fehlte damals und ist auch heute fehlgeschlagen.

„Man unterhielt sich nur halblaut in dem kleinen Garten des Athener Altstadtlokals, die Gäste hörten aufmerksam einem jungen Mädchen zu, das zwischen den niedrigen Tischen umherging und jene Volksliedhaften Chansons sang, die seit einiger Zeit bei der Jugend Athens so beliebt sind. Sehr poetische, melodisch und rhythmisch einfühlsame Lieder, die vom Leben der einfachen Menschen erzählen, von Sonne, Meer und natürlich von der Liebe. Beim Refrain stimmen die Zuhörer ein, jeder kennt Text und Melodie. Sie gehört zur Lambrakis-Jugend und stammt aus Piräus, eine freche, stolze Griechin. Mikis Theodorakis hörte sie, ihm gefiel ihre Stimme und ihr engagiertes Auftreten. ‚Wie ist es, wollen wir nicht bald zusammen eine Schallplatte aufnehmen?’

Doch daraus wurde nichts mehr. Theodorakis, der sich seit dem 21. April, seit der Nacht des Militärputsches, versteckt gehalten hatte, ist inzwischen verhaftet worden, seine Lieder sind verboten. Wer heimlich Theodorakis Platten hört, riskiert hohe Gefängnisstrafen.

Das Gartenlokal in der Plaka sollte nach dem 21. April geschlossen werden, es galt schon vor dem Putsch als Treffpunkt junger Oppositioneller. Nun man kann auch heute noch seinen Ouzo dort trinken. Doch ab und zu, so erzählte man uns, sitzen unauffällig gekleidete Männer zwischen den jungen Leuten und beobachten wer mit wem über was spricht und das hat sich zum Glück rumgesprochen.

‚Nein, ich habe gar nichts gemerkt. Es ist doch alles so wie früher, die Leute wirken auch nicht bedrückt. An der Grenze bin ich viel höflicher als im letzten Jahr behandelt worden!’ Erklärte uns ein frisch promovierter deutscher Mediziner. Man kann ihm und vielen anderen Touristen ihre Ahnungslosigkeit kaum übel nehmen, die Zeichen des Terrors und Diktatur sind vor fremden Augen wohlverborgen.

Das blau-weiße Plakat, welches in vielen Restaurants, Tankstellen, Läden und Banken hängt, wird von vielen Fremden, des Griechischen unkundig, sicher als Hinweis auf eine Ausstellung moderner Kunst missverstanden. Doch der nach oben gerichtete Pfeil symbolisiert den einzigen Ausweg aus Kommunismus, Korruption und Anarchie. Eine Groteske sondergleichen die von den Einheimischen nur belächelt wird."

Gewiss, am Omonia-Platz sieht man mehr Militär, doch die Soldaten sind unbewaffnet, schlendern scheinbar absichtslos umher. Die Mannschaftswagen an den strategisch wichtigsten Stellen des Platzes, fallen im Gewühl kaum auf.

Viele der Zeitungen, die man vor dem 21. April kaufen konnte, hängen nicht mehr an den Kiosken, sie haben ihr Erscheinen aus Protest gegen das Regime eingestellt oder wurden verboten. Doch welcher Ausländer kennt schon die Namen der griechischen Zeitungen, wem wird es auffallen, dass viele davon verschwunden sind? Außerdem sind ja nahezu alle ausländischen Zeitungen und Zeitschriften zu haben, der „Stern“ mit seinem Photobericht über die KZ-Insel Giaros, ebenso wie der „Spiegel“ oder der französische „Express“, dessen Titelbild die Venus von Milo zeigte, stacheldrahumwunden.

Der ausländische Tourist, der am Omonia-Platz  seine Zeitungen kaufen kann, wird beruhigt feststellen, dass es so schlimm mit der Zensur und Gewaltherrschaft nicht sein kann. Genau darauf so meinten meine Gesprächspartner, komme es den Regime an. Mehr als alles andere brauche es die moralisch-politische Anerkennung und die Devisen des Auslandes. Da nehme man es auch in Kauf, dass eine geringe Anzahl von ohnehin regimefeindlichen Studenten und Intellektuellen die Auslandspresse liest.

Die griechischen Zeitungen, gleichgeschaltet und langweilig, werden kaum noch gelesen. Dies kann jedoch nur derjenige bemerken, der die Zeitungsmanie und Lesegier der Griechen aus früheren Jahren kennt.

Im kleinsten Kafenion, der entlegensten Kykladeninsel sah man kaum einen Mann, der nicht in irgendeine Zeitung vergraben war oder sie zumindest neben sich auf dem Stuhl liegen hatte. In diesem Herbst war alles anders, so wie die Zeitungen fehlte auch das politische Gespräch. Wer eine vor dem Putsch so zahlreichen leidenschaftlichen Diskussionen miterlebt hat, dem kann es nicht entgehen, dass sich das Klima in Griechenland entscheidend verändert hat.

„Wir haben Angst. Der Vater beginnt sich vor dem Sohn zu fürchten und der Sohn vor dem Vater. Über Politik spricht man nur mit den allerbesten Freunden, sagte mir eine Studentin, die ich in einem kleinen Ferienort traf. Mich erinnert vieles an die Situation in der (ehemaligen) DDR.

Wir haben gewartet bis das Lokal leer war, ehe ich mich an Sie und Ihre beiden Begleiter mit meinen Fragen gewandt habe. Nach kurzen Zögern, einen prüfenden Blick durch das leere Lokal überstürzten sich die Antworten: Wie viele Griechen sind gegen die Junta? „Alle! Bis auf ein paar Militärs, ein paar Reaktionäre und einige sehr reichen Leute die davon profitieren. Die anderen sind alle dagegen, benehmen sich wie Lämmer, denn Freiheit gibt es in Griechenland nicht mehr. Unser Studentenparlament wurde aufgelöst und in den Vorlesungen sitzen Spitzel.“ Wie lange wird sich das Regime noch halten? „Wer weiß das schon! Vier Monate, vier Jahre, vielleicht auch vierzig Jahre – wenn uns das Ausland nicht hilft...“

Offener Hass, unterdrückte Wut, Verachtung, zumindest aber achselzuckende Skepsis gegenüber dem Regime fand ich überall, in Athen und auf den Inseln, bei Studenten und Lehrern, Bauern, Fischer, Arbeitern und kleinen Geschäftsleuten.

Dafür ist im Staatsrundfunk und in den gleichgeschalteten Medien um so häufiger die Rede vom „heldenmütigen Kampf der Armee“, von „Vaterland und Nation“, und vor allem vom „heroischen Kampf gegen den Kommunismus“. Glaubt man diesem Propagandaschwulst, ganz Griechenland müsste vor dem Putsch von kommunistischen Verschwörern gewimmelt haben.  

Die Behauptung der neuen Machthaber, sie hätten Griechenland vor einem blutigen Umsturz durch die Kommunisten errettet, gilt bei fast allen Griechen als ausgemachtes Märchen. Gewiss, die Verhältnisse vor dem 21. April waren keineswegs rosig, die demokratischen Freiheiten waren bereits eingeschränkt, Korruption und Misswirtschaft drückten das Land. Doch hoffte man auf Wahlen und nicht auf Gewalt. „Die für den 25. Mai 1967 angesetzten Wahlen hätten ohne Zweifel  einen überwältigten Sieg der gemäßigten Linken, der Zentrumsunion, erbracht und damit die Unstabilität, dem ständigen Wechsel hilfloser Kabinette, die sich auf keinerlei parlamentarischer Mehrheit stützen konnten, ein Ende gemacht. Doch bevor dies geschah, haben die Obristen geputscht. Mit stiller Billigung des Königs und des CIA...“ erzählte mir ein junger Arzt aus Piräus.

Griechenland erinnert sich zu genau an den langen mörderischen Bürgerkrieg, um Lust an neuem Blutvergießen zu verspüren. Doch die Stimmung scheint umzuschlagen. Massenverhaftungen, Deportationen, Versammlungsverbot, Brief- und Prozesszensur, Massenentlassungen von Professoren, Lehrern und Beamte, nächtliche Hausdurchsuchungen – der Besitz und das Hören von Platten des Komponisten Mikis Theodorakis stand unter Strafe – und Blitzprozesse vor Sondergerichten waren an der Tagesordnung. Das Ausland schaute zu, denn viele Griechenland Reisenden haben die Augen verschlossen oder sich das Hirn ausbrennen lassen. Hinzu kam eine sich rapid verschlechternde Wirtschaftslage und dies alles bewirkte, dass sich die Resignation und Angst allmählich in Zorn und Entschlossenheit verwandelten. Es regt sich was im Land der Helenen, Wiederstandgruppen der verschiedensten Richtungen haben sich gebildet. Die sich zwar bisher über Mittel und Wege der geheimen Opposition nicht einig werden konnten, aber alle sind bereit, für die Rückkehr zur Demokratie, für Freiheit und eine korruptionsfreie Wirtschaft zu kämpfen.

Vorläufig allerdings beschränkt sich die Mehrheit der Griechen noch auf zornige Verwünschungen, die allen voran den verhassten Pattakos gelten. In aller Heimlichkeit werden die Lieder von Mikis gesungen, Trinksprüche auf die Freiheit, die Demokratie, auf Papandreou und die Zukunft Griechenlands ausgebracht.  

Anmerkung: Der Griechische Knoten wird bald gesprengt. Mit dem Referendum von 1974, das mit der Monarchie Schluss machte, starteten gewaltige Umwälzungen in der Wiege der Demokratie. Griechenland hat den Balkan hinter sich gelassen und im Jahr 1981 ein Wendepunkt in der Geschichte, Andreas Papandreou fuhr mit seiner Sozialistischen Partei (PASOK) einen triumphalen Wahlsieg ein, die Geburtsstunde des EG-Beitritts. Die traditionellen mediterranen Hellenen schafften ihre westlichen Partner in aller Brillanz zu hintergehen. Im Herbst 2009 war die Überraschung groß als das griechische Desaster bewusst wurde. Die ehemaligen kommunistischen Länder betraten die europäische Bühne und Griechenland belebte die „Balkanität“.

Nun kann man nicht die gesamte politische Klasse Griechenland auf die Anklagebank setzen, Europa hat versagt, die große Party ist vorbei. Die illegalen Netzwerke gleiten auseinander, der überdimensionierte Staat mit seiner inkompetenten Verwaltung und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit hat sich von allein diskreditiert und zwischen Volk und Regierung klafft die nicht wahrgenommene Realität. Sind es Missverständnisse, europäische- und amerikanische Komplizenschaft die die griechische Wirklichkeit und ihrer Wahrnehmung in den Ruin getrieben haben? Die griechische Unabhängigkeit wird zum zentralen Thema europäischer Selbstbehauptung. Immer mehr Griechen  verfallen einer antieuropäischen und antiwestlichen Haltung und dies wird sich manifestieren, wenn bittere historische Erfahrungen in ihnen wachgerufen werden. Die Stärkung der kommunistischen Partei liegt im antiwestlichen Ressentiment und nicht in einer marxistischen Ideologie. Europa erwache, bevor noch die wenigen politischen Pro-Europäer in Griechenland an die Wand gedrückt werden.

 

Wolf Rajszár 

 

Das komplette Skript vom Hörbuch können sie beim Autor Rajszár unter info@art-future.net anfordern! 

 

 

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