Die hässliche Armut
Die sichtbare Form echter Armut
Von Andrea Bistrich und Mag. Gerald Wolf Rajszar
Obdachlosigkeit scheint zwar auf den ersten Blick ein konkret umschriebener Zustand zu sein, wenn auch zeit- und kulturabhängig. Das zeigt sich offenbar schon in den verschiedenen Begriffen: So sprach man in früheren Jahrhunderten von Vagierern (vom lateinischen: vagare = umherschweifen oder vagus = unstet) oder von Vaganten (fahrende Leute), später von Kammesierern und Hippenbuben. Während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, in der die wirtschaftliche Not weite Kreise erfasste, nannte man sie verarmte Korrigenden und steckte sie in Arbeitshäuser. Anfang des 20. Jahrhunderts bezeichnete man sie als Landstreicher, Berber oder Vagabunden (siehe oben). Erst einige Jahrzehnte später interessierte man sich auch für die seelischen Hintergründe und hatte gleich einen abwertenden Begriff parat: unstete Psychopathen. Während des Dritten Reiches wurden die Obdachlosen zu arbeitsscheuen Nichtsesshaften. Heute nennt man sie Wohnungslose oder Obdachlose.
In diesem Wechsel der Begriffe spiegelt sich aber nicht nur eine veränderte Einstellung zu diesen Mitmenschen, sondern auch eine Veränderung des Personenkreises wider. Und nicht erfasst sind natürlich jene Begriffe in der Alltagssprache, die eher abschätzig gemeint sind, wie Stadtstreicher, Landstreicher, Penner u. a.
Man nennt sie "Penner", "Tippelbrüder", "Stadt- und Landstreicher", "Wermutbrüder" oder einfach "Obdachlose". Sie sind die Armen in unserer reichen Gesellschaft, arbeits- und mittellos — Randpersönlichkeiten. In der Fachsprache spricht man von "Menschen in sozialen Schwierigkeiten" oder vielfach auch von "Nichtsesshaften". Darunter versteht man im Sinne des Bundessozialhilfegesetz "Personen, die ohne gesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage umherziehen, allein stehende Personen ohne Wohnung und regelmäßige, sozialversicherungspflichtige Arbeit, ohne abgesicherte Existenzverhältnisse und häufig ohne existenziell tragende Beziehungen zu Familie oder anderen Lebensgemeinschaften… Personen, deren besondere soziale Schwierigkeiten der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft entgegenstehen".
Offiziell aber gibt es sie nicht. Die Zahl der Obdachlosen in Österreich sind in keiner amtlichen Statistik erfasst. Es gibt lediglich Schätzungen, und die werden in Österreich vom Sozialministerium (Bericht über die soziale Lage 2003-2004) aufgestellt. Einer dieser Verbände -neben dem österreichischen Sozialministerium- sind die kirchlichen und sozialen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Schon seit Jahrzehnten fordern diese kirchlichen und sozialen Träger, das Ausmaß von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit öffentlich in Form einer bundeseinheitlichen Wohnungsnotfallstatistik zu dokumentieren, bislang jedoch vergeblich. Man muss sich vorläufig noch mit Schätzungen begnügen. Laut solcher Schätzungen sind etwa 81.000 Menschen in Österreich ohne einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum. Rechnet man die Zahl der wohnungslosen Aussiedler von ca. 45.000 dazu, kommt man bundesweit auf etwa 126.000 Menschen ohne Wohnung. Wer sind die Wohnungslosen? Viele sind von der Obdachlosigkeit bedroht oder leben in unzumutbaren Wohnverhältnissen. So leben in Österreich rund 2.000 Menschen ohne Obdach auf der Straße.
Wir werden immer wieder Menschen in Österreich finden die auf der Straße leben —
in einer Industrienation, die sich zu den wohlhabendsten der Welt zählt.
Trotz intensiven Bemühens und einer recht ansehnlichen Zahl an Hilfeangeboten in den Städten -in ländlichen Gegenden sieht die Situation nach wie vor ganz anders aus– ist das Ausmaß von Obdachlosigkeit als ein wesentlicher sozialer Brennpunkt in Österreich zu betrachten. Wegen der großen Komplexität der Zusammenhänge ist eine einfache und schnelle Lösung nicht in Sicht.
Besonders gravierend ist die Situation bei den weiblichen Nichtsesshaften. Frauen, die in eine tiefe existenzielle Notlage gekommen sind, schämen sich oftmals ihrer Situation und versuchen daher möglichst lange ohne institutionelle Hilfe auszukommen. Um ein Dach über dem Kopf zu haben, gehen viele von ihnen Zwangsbeziehungen ein oder kehren erneut zum früheren Partner zurück, den sie eigentlich aufgrund eskalierender Konflikte verlassen hatten. Bei 37,5 Prozent der Frauen, so eine Studie, liegt der Auslöser für den Wohnungsverlust in der Trennung beziehungsweise Scheidung vom Partner/Ehemann. 21,5 Prozent werden durch den Auszug aus der elterlichen Wohnung wohnungslos, und etwa zehn Prozent fliehen vor der (sexuellen) Gewalt des Partners/Ehemanns. Hier hilft die Einrichtung „Haus Rosalie“.
| | | | |
Johann Z. † 2007 | | Josef G. † 2010 und | | Heinz T. † 2010 |
Dramaturgisches Konzept (Kurzfassung)
Das Konzept ist nicht die recherchierende Beobachtung, vielmehr die diskrete Komplizenschaft. Hier werden keine Szenen inszeniert, wir versuchen, dass sich die Protagonisten auf die Kamera einlassen um einen nüchternen, vielleicht auch ernüchternden Einblick in ihrem Alltag zu gewähren. In einem respektvollen Umgang wollen wir nicht werten, warum sie so leben, wie sie leben, vielmehr illusionslos dokumentieren.
Leitmotiv
Es handelt sich hier nicht um ein lokales Phänomen, vielmehr soll es national und international als Fallbeispiel für den Gedanken von Vinzenz von Paul für Nächstenliebe und als Vorbild der Weisheit und Güte des Herzens wirken.